Tschertschessow reist mit Russland an: „Endlich wieder einmal in Tirol“
Von Wolfgang Müller, Tiroler Tageszeitung
Über ein Jahr steht die Wohnung in Rinn schon leer, also wird es langsam höchste Zeit, dass der „Hausherr“ nach dem Rechten sieht. Doch viel Zeit wird Stanislaw Tschertschessow nicht haben, um im heimischen Mittelgebirge zuzukehren. Denn Russlands Teamchef gastiert mit seiner „Sbornaja“ ab 22. Mai im Stubaital. Zehn Tage bereitet sich Russlands Fußball-Nationalteam streng abgeschottet im Jagdhof in Neustift auf die EM-Endrunde vor. „Wird Zeit, dass ich Tirol wiedersehe“, meldete sich der ehemalige Wacker-Coach aus Moskau. „So weit alles in Ordnung. Die Familie ist gesund und ich stecke mitten in den Vorbereitungen.“
Konfliktfreies Camp nach den Öffnungsschritten
Die Zeit in Tirol soll genützt werden, um seinen Kickern den Feinschliff für die EURO zu verpassen. Schon vor der Heim-WM 2018 war die russische Delegation in Neustift zu Gast und machte die besten Erfahrungen. Das Vorbereitungsspiel am 30. Mai 2018 im Tivoli wurde zwar gegen das ÖFB-Team durch einen Treffer des Ötztalers Alessandro Schöpf 0:1 verloren, aber das war ein Dämpfer zur rechten Zeit. Denn bei der WM-Endrunde mussten sich die Russen erst im Viertelfinale nach Elfmeterschießen dem späteren Finalisten Kroatien geschlagen geben. Von Präsident Wladimir Putin wurde Teamchef Tschertschessow nach dem Turnier im Kreml ein Verdienstorden verliehen. Klar, dass sich der Stani dafür starkmachte, die Vorbereitung für die am 11. Juni beginnende Europameisterschaft wieder in seiner zweiten Heimat abzuwickeln.
Besondere Pandemiezeiten erfordern natürlich Leidensfähigkeit und Nervenstärke. „Am 19. Mai geht in Österreich fast alles auf. Daher wird schon alles passen“, hofft Tschertschessow, der schon mit Sputnik V geimpft wurde, dass seine Kicker im Stubaital ein relativ konfliktfreies Camp absolvieren können.
Testspiel ist in Tirol keines geplant: „Wir fliegen von Innsbruck nach Polen, wo wir am 1. Juni ein Freundschaftsspiel absolvieren. Unsere EM-Generalprobe findet dann am 5. Juni gegen Bulgarien in Russland statt.“
Trotz oder gerade wegen des Corona-Stillstands freut sich Tschertschessow auf die vierwöchige Endrunde: „Das wird auch trotz beschränkter Zuschauerzahlen ein Spektakel. Elf Länder, die besten Mannschaften Europas – das tut dem Fußball gut.“
Bezüglich der Chancen seines Teams steigt der ehemalige FC-Tirol-Tormann mit strengem Blick auf die Gruppe G auf die Euphoriebremse. „Wir haben mit Belgien und Dänemark zwei Teams aus den Top Ten der Weltrangliste. Dazu der gefährliche Außenseiter Finnland. Wir müssen uns in einer sehr starken Gruppe durchsetzen.“ Wobei die Russen am 12. Juni zum Auftakt gegen Belgien und dann am zweiten Spieltag gegen Finnland (16. Juni) zwei „Heimspiele“ in St. Petersburg bestreiten können. Das Gruppenfinale findet dann am 21. Juni in Kopenhagen gegen Dänemark statt. Die zwei Grup-penbesten qualifizieren automatisch für die Achtelfinalspiele, die vier besten Gruppen-Dritten ebenfalls. Das Ziel für Stani Tscher-tschessows Nationalteam ist die K.-o.-Runde der besten 16. Und für dieses ehrgeizige Vorhaben sollen die Weichen beim Trainingscamp im Stubai gestellt werden. Denn was im Vorfeld der WM funktionierte, soll auch als EM-Vorbereitung klappen.
Der Originalartikel erschien in der Tiroler Tageszeitung und ist abrufbar unter https://www.tt.com/artikel/30790722/tschertschessow-reist-mit-russland-an-endlich-wieder-einmal-in-tirolfbclid=IwAR1SUpYKH9Ch5f6dRmQON9JiI1UFvrQqwy-HfFckB2zrL_Eq__mwpSWWgro