Corona zwingt Trainingslager in die Knie – Verluste für Organisatoren und Regionen in Millionenhöhe
Text: Alexander Friedl, Sport Business Magazin
Lange sah es so aus, dass es diese Sommercamps in diesem Jahr nicht geben wird. Nun ist Besserung in Sicht. Dennoch: Nicht nur Organisatoren, sondern auch die Regionen verlieren aufgrund der Coronakrise viel Geld.
Direkt davon betroffen ist auch Hannes Empl. Mit seinem Unternehmen SLFC gilt er als europaweiter Marktführer für Trainingslager und Testspiele. Wir haben mit dem Geschäftsführer über das Trainingslager-Business in Österreich, die drastischen Auswirkungen der Coronakrise, Absagen von 14 Nationalteams, die Zukunft der Branche und Anekdoten mit Startrainer José Mourinho gesprochen.
Trainingslager-Hochburg Österreich: „Paket muss stimmen“
Empl erklärt die Anfänge: „Begonnen hat das Ganze in der Steiermark vor circa 25 Jahren, als Real Madrid das erste Mal in Österreich zu Gast war. Danach hat sich dieses Business über die Jahre entwickelt“. Die Gründe dafür sind vielfältig: „Das gesamte Paket muss stimmen.“ Er sieht vor allem die guten Hotels mit entsprechender Verpflegung,
hochwertige Sportplätze, das Klima, die kurzen Wege zu den Flughäfen sowie das abwechslungsreiche Freizeitprogramm in der Natur als elementare Erfolgsfaktoren.
Selbstverständlich macht sich auch die gute Arbeit rund um sein Team bezahlt. So betont er, dass der gute Ruf, den man sich über Jahre hinweg aufgebaut hat, wichtig sei, um langfristig erfolgreich zu sein: „Wenn es einem gelingt, mehrere Top-Mannschaften an einen Ort zu bringen, erleichtert es die Organisation von Freundschaftsspielen und alle profitieren davon.“
„In der Vergangenheit absolvierten bereits zahlreiche prominente Vereine wie FC Chelsea, RB Leipzig, FC Schalke 04, Zenit St. Petersburg, Ajax Amsterdam, AS Monaco, Bayer 04 Leverkusen, FC Southampton, Manchester City, Schachtjor Donezk, Dynamo Kiew, FC Valencia und Celtic Glasgow, um nur einige zu nennen, ihr Trainingslager in Österreich.“
– Hannes Empl, stolz über die Erfolge
90 Trainingslager sorgen für 80.000 Nächtigungen
Insgesamt vermitteln die verschiedenen Organisatoren jährlich rund 80.000 Nächtigungen in ganz Österreich. Das Unternehmen von Hannes Empl ist für knapp zwei Drittel verantwortlich. Das macht einen Umsatz von ungefähr sieben bis neun Millionen Euro im Jahr. „Wir alleine sorgen für 15.000 bis 20.000 Nächtigungen in Salzburg“, so der Geschäftsführer. So wurden in den vergangenen fünf Jahren etwa 450 Trainingslager in Österreich abgehalten – im Durchschnitt 90 pro Jahr. Alleine 30 im Bundesland Salzburg in einer Saison. Im Normalfall reist eine Mannschaft mit 50 bis 70 Spielern, Betreuern und Funktionären an. Dazu kommen Journalisten und – je nach Größe und Bekanntheit des Klubs – oft auch viele Fans, die ihre Mannschaft ins Trainingslager begleiten.
Trainingslager in der (Corona-)Krise: Absagen von 14 Nationalteams
Die Coronakrise hat auch die Organisatoren von Trainingslagern hart getroffen. Circa 100 Vereins- und Nationalmannschaften wären ohne Pandemie im Sommer nach Österreich gekommen. Die bleiben jetzt unter anderem aufgrund der Verschiebung der EURO auf nächstes Jahr weitestgehend aus. So haben laut Empl alle 14 Nationalmannschaften ihr Trainingslager abgesagt, darunter auch prominente Nationen wie England, Niederlande und Türkei. Besonders bitter schmerzt der Ausfall des deutschen Nationalteams.
„Die Mannschaft“, wie das DFB-Team genannt wird, wäre zum ersten Mal zu einem Trainingslager der SLFC nach Österreich gekommen. Auch das österreichische Nationalteam rund um Teamchef Franco Foda hätte während der EURO auf die Betreuung der SLFC gesetzt. Positive Aussichten gibt es dennoch: Wie das ÖFB-Team haben auch die anderen Verbände ihr Trainingslager bereits auf das nächste Jahr verschoben, sofern die Europameisterschaft wie geplant in zwölf Städten stattfindet. „Nachdem die UEFA das noch nicht bestätigt hat, sind noch keine Verträge unterschrieben. Wir sind aber sehr zuversichtlich“, so Hannes Empl.
Verlust von 20 Millionen Euro abgewendet
Zwischenzeitlich sah die Situation viel dramatischer aus. Bei dem erwarteten Totalausfall hätte die ganze Branche in Österreich laut Empl rund 20 Millionen Euro verloren. Der SLFC drohte ein Umsatzverlust von einigen Millionen Euro. Das konnte nun abgewendet werden. „Jetzt kommen langsam wieder Anfragen für Ende Juli und August“, so der Organisator. Wie hoch der Verlust schlussendlich im Zuge der Covid-19-Pandemie sein wird, kann Hannes Empl zum derzeitigen Standpunkt noch nicht beziffern:
„Das hängt stark mit den Spielplänen der jeweiligen Ligen und vor allem der internationalen Bewerbe zusammen. Stichwort Qualifikation für die Champions und Europa League. Erst wenn diese bekannt sind, können wir planen.“
Auch das Thema Grenzöffnungen in ganz Europa ist entscheidend. Besonders gespannt blickt das Team um Hannes Empl auf die Entscheidungen im flächenmäßig größten Land der Erde: „Russland ist ein großer und wichtiger Markt für uns. Zenit St. Petersburg und etliche andere Teams der russischen Premier Liga wollen zweimal 14 Tage kommen, wenn sie einreisen dürfen und der russische Fußballverband den Rahmenterminkalender den Wünschen der Vereine anpasst.“ Nicht nur die Veranstalter spüren die Auswirkungen der Coronakrise, auch die Regionen sind davon betroffen und verlieren wichtige Einnahmen. Die Trainingslager und Testspiele haben einen enorm hohen Stellenwert für den Tourismus. 44 Orte in Österreich profitierten davon im Jahr 2019 – 17 in Tirol und zehn in Salzburg. 200 Testspiele wurden durchgeführt. Über 90 Mannschaften fanden in Österreich beste Bedingungen vor.
Mit Top-Teams wachsen: „Wollen die Qualität heben“
Ein Blick in die Zukunft ist in der aktuellen Lage schwierig. Auch eine Antwort auf die Frage, wie sich dieses Geschäft in den nächsten Jahren entwickeln wird. „Wir haben während des Lockdowns genug Zeit gehabt, uns über diese Fragen Gedanken zu machen. Wir sind zum Entschluss gekommen, dass wir quantitativ kaum wachsen können. Vielmehr wollen wir die Qualität heben“, so der Experte. Das gelingt laut Empl vor allem damit, wenn mehr Mannschaften aus den Top-Ligen nach Österreich geholt werden. Auch für die Organisation von Testspielen ist das ein elementarer Faktor. „Nur mit Top-Teams wie Paris Saint-Germain, Ajax Amsterdam, AS Monaco, RB Leipzig oder FC Chelsea kommen attraktive Freundschaftsspiele zusammen“, betont der Trainingslager-Fachmann. Für Regionen und Jugendmannschaften sei das obendrein interessant, wenn sie unmittelbar neben Teams aus der englischen Premier League trainieren.
The Special One: „Mourinho unterbrach das gesamte Training“
Als Geschäftsführer der SLFC hat Hannes Empl bereits viele prominente Persönlichkeiten im Fußball kennengelernt. Ein Trainer ist ihm rückblickend besonders in Erinnerung geblieben: José Mourinho alias „The Special One“. Der Portugiese war damals als Trainer des FC Chelsea in Österreich. Hannes Empl erinnert sich zurück: „Der gesamte Sportplatz war mit zwei Meter hohen Transparenten als Sichtschutz abgehängt. Während des Trainings haben zwei junge Buben im Alter von zehn bis zwölf Jahren das Geschehen am Platz zwischen zwei Planen heimlich beobachtet. Mourinho bekam davon Wind und unterbrach umgehend das gesamte Training. Der Startrainer ist zu den Jungs gegangen und hat gefragt, ob sie nur zum Spaß da sind, oder auch etwas arbeiten wollen.“ Daraufhin habe er die Jungs zum Training hereingebeten und gab ihnen Arbeitsanweisungen, wie Hütchen aufstellen oder Bälle holen. Später hat sie der Portugiese noch zum Essen ins Teamquartier eingeladen und ihnen Trikots geschenkt. „Das sind schöne Anekdoten, an die man sich gerade in diesen ungewissen Zeiten gerne zurückerinnert“, so Empl.
Der Artikel erschien in der Sommerausgabe 02-2020 des Sport Business Magazins – Österreichs führendes Qualitätsmedium für Sport und Business – und ist online abrufbar unter: https://sportbusinessmagazin.at/fussball-sporttourismus-corona-zwingt-trainingslager-in-die-knie-verluste-fuer-organisatoren-und-regionen-in-millionenhoehe