Österreich als Nabel der Fußballwelt
„Von Juli bis August ist die Hauptzeit für uns“, erklärt Hannes Empl, Chef der größten österreichischen Agentur für Trainingscamps. Mit „Salzburger-Land-Fußball-Camps“ (SLFC) erwartet der Ex-Fußballer auch heuer wieder „60 bis 80 Mannschaften“ – inklusive über 150 Testspielen. Mittlerweile vermittelt der Salzburger Standorte in allen Bundesländern.
Kapazunder wie Union Berlin, Leverkusen, Eintracht Frankfurt, FC Basel, Olympiakos Piräus, Panathinaikos oder Sparta Prag haben ihr Kommen bereits bekundet. Weitere werden folgen, wobei mit einem Klub aus Saudi-Arabien beinahe der allergrößte Coup gelungen wäre. „Ich hatte schon gedacht, Lionel Messi kommt nach Österreich. Das wäre richtig gut gewesen“, sagt Empl. Doch ein bereits sicher gegoltener Wechsel des argentinischen Weltmeisters zu Al-Hilal (im Juli in Villach) kam nicht zustande. Er kickt jetzt bei Inter Miami (siehe S. 28.).
Die Besten der Besten. Die Liste an absoluten Topklubs, die schon hier waren, lässt Fan Herzen höherschlagen. „Liverpool war ein Glückstreffer“, so Empl. Dazu begrüßte er bereits Bayern, Leipzig, Ajax, West Ham, Chelsea, AC Milan, Real Madrid, oder: sogar Red Bull Salzburg. „Das letzte ganz große Testspiel“, so erinnert sich Empl voll Stolz, „war 2021 Real Madrid gegen AC Milan in Klagenfurt.“ Auch Chelsea habe längst im Wörthersee-Stadion gespielt, ein „echtes Highlight“. Für solche sorgten auch die Besuche von Paris SG, AS Roma, Dortmund oder Arsenal, die auf das Konto der Internationalen Fußballcamps Steiermark (IFCS), einer weiteren Agentur gingen. Wie hart ist der Konkurrenzkampf zwischen den Agenturen? „Streit gibt es nie“, verrät Empl. Man arbeite sogar des Öfteren zusammen, wenngleich ein Zusammenschluss kein Thema sei. Das mag auch an der Übermacht von SLFC liegen. „Zwei Drittel aller Camps machen wir, alle restlichen Anbieter in Österreich teilen sich ein Drittel“, sagt der Branchenkrösus. Eine immer wichtigere Rolle im Geschäft mit den Trainingscamps nehmen Nationalteams ein. Deutschland, England, Österreich und Co. – die Liste ist endlos lang.
Camp, TV und Marketing. Empl und seine Firma sind als Organisatoren jedenfalls an allen Fronten gefragt und gefordert. Sind die Teams erst einmal an die jeweiligen Standorte vermittelt, geht es um die adäquate Bereitstellung der Sportplätze und im Falle von Testspielen um die Organisation von Stadien, Schiedsrichtern sowie Übertragungsmöglichkeiten. Teilweise produziert SLFC das Bildmaterial nicht nur, sondern vermarktet es auch noch selbst. Im Falle von freundschaftlichen Länderspielen spricht Empl von einer Rolle als „Umsetzer und Dienstleister für Uefa und Fifa“.
Nationalteams wie Russland oder Katar als Katalysatoren für die Agenturen.
Die (Erfolgs-)Geschichte der Fußballcamps in Österreich ist eine lange. IFCS existiert etwa schon seit 1996. SLFC wurde 2006 gegründet, Empl hatte aber schon vier Jahre zuvor den Grundstein gelegt. „Begonnen hat alles mit einem Anruf, ob ich nicht ein Freundschaftsspiel in Leogang (wo bis heute der Firmensitz ist) organisieren wolle“, sagt der 53-Jährige. Ein echter Boost sei die Euro 2008 in Österreich und der Schweiz gewesen, als die Russen in Leogang ihre Zelte aufgeschlagen hatten. „Viel Fleiß, aber auch viel Lehrgeld und Enttäuschungen“ – all das habe zu nie erwarteten Dimensionen des Projekts geführt. Aber welche Enttäuschungen? „Wenn schon etwas fixiert wurde und dann scheitert es, weil jemand kein Visum kriegt“, nennt Empl ein Beispiel. Oder als Corona alles zunichte machte.
Zu ärgerlichen Vorfällen sei es obendrein bei Testspielen gekommen. Etwa, als Politik im Spiel war, wie beim Iran in der Südstadt. Oder, als Fans Pyrotechnik verwendeten: „Da müssen wir als Veranstalter zahlen!“ Jüngst hielt Empl auch ein Rassismusvorfall auf Trab. Am vergangenen Montag testete Katar in Ritzing gegen Neuseeland. Die Neuseeländer weigerten sich, zur zweiten Hälfte anzutreten, weil ein Spieler vom Gegner rassistisch beleidigt worden sein soll. „Das war das erste Mal, dass so etwas bei einem unserer Spiele passiert ist“, sagt Empl, der selbst „live“ vor Ort war. Immerhin sei seine Agentur in diesem Fall nicht in die TV-Rechte involviert gewesen, sonst hätte es „finanzielle Einbußen“ gegeben. So musste er als Veranstalter nur eine Stellungnahme gegenüber dem ÖFB machen, welcher den Sachverhalt weiter an die Fifa leitete. Was passieren wird, steht in den Sternen.
Wertschöpfungsmotor. Inzwischen ist SLFC zu einem getrost globalen Marktführer für Trainingslager und Testspiele aufgestiegen. Gearbeitet wird mit zehn angestellten Mitarbeitern, im Sommer sind es mehr. Es profitiert ganz Österreich, denn holt Empl 80 Teams ins Land, bedeutet das rund 35.000 Nächtigungen für heimische Hotels. „Wir profitieren auch durch die starke mediale Präsenz, von TV-Übertragungen, Freundschaftsspielen und Turnieren“, weiß Leo Bauernberger, Geschäftsführer der Salzburger-Land Tourismus Gesellschaft. Die direkte Wertschöpfung für „sein“ Bundesland allein beträgt rund zehn Millionen Euro pro Jahr – die indirekte Wertschöpfung mehr als doppelt so viel. „Jeden Sommer gehen die Bilder der Mannschaften, die vor unserer traumhaften Natur- und Bergkulisse trainieren, um die ganze Welt – das ist für uns ein unbezahlbarer Werbewert.“
Business Fußball. In der Steiermark wurde vor rund sechs Jahren eine jährliche Wertschöpfung von 4,35 Millionen Euro errechnet – mit Fußball und Camps. Jedoch scheinen die goldenen Zeiten mit Kapazundern á la Liverpool und Co. vorbei zu sein. „Die ganz großen Klubs sind definitiv abgewandert“, erklärt der Pinzgauer und hat auch die Begründung parat: „Sie gehen nach Amerika oder Asien, weil sie dort mit Geld zugeschüttet werden. Da reden wir von fünf, sechs, sieben Millionen Euro – pro Live-TV-Spiel.“
Zum Vergleich: Das Match Real gegen Milan in Klagenfurt brachte mit Ticketpreisen um die 35 Euro rund 1,05 Millionen Euro ein. „Daraus resultiert unser Verdienst und das, was die Mannschaften kriegen.“ Real und Milan stehen sich heuer übrigens bei einem Testspiel in den USA gegenüber – in einem über 90.000 Zuschauer fassenden Stadion, bei Ticketpreisen zwischen 55 und 205 Dollar. „Wenn wir solche Preise verlangen würden, zahlt das niemand“, so Empl. Nachsatz: Bei der Konkurrenz aus Übersee brauche man erst gar nicht mitzuspielen, das sei eine andere Welt, zu risikoreich.
Österreich soll im Zuge der EM 2024 in Deutschland auch zum Hotspot werden.
Jedoch erobert seine Agentur mehr und mehr den internationalen Markt, organisiert etwa Wintercamps in Spanien, Katar, Abu Dhabi oder der Türkei. Besonders von Katar verspreche man sich viel. Der WM-Ausrichter von 2022 habe gefragt, „ob wir die Infrastruktur nützen wollen. Das wird für viele gute Mannschaften interessant werden.“ Für den Standort Österreich bedeutet dies für die Zukunft vor allem eines: Qualitative Verbesserung. „Gute Klubs und Nationalteams haben hohe Anforderungen. Da hat sich unglaublich viel geändert in den vergangenen Jahren. Plätze, Stadien, Hotels, Köche – daheim in ihren Trainingszentren haben alle die besten Voraussetzungen. Als Trainingscamp-Anbieter muss man das erst einmal schaffen“, so Empl.
Schon im nächsten Sommer gilt es, darauf legte er gesondert Wert, besonders bereit zu sein. Da könne die Kassa lauter klingeln. „Die EM 2024 in Deutschland, dafür planen wir bereits. Wir werden da einige Nationalteams nach Österreich bringen.“
Der Originalartikel ist am 25.6.2023 in Sportteil der Presse am Sonntag erschienen und ist online abrufbar unter: https://www.diepresse.com/13434725/oesterreich-als-nabel-der-fussballwelt